Donnerstag, 29. September 2011

Dia do Administrador

„Für Donnerstagabend habe ich etwas für uns! Die Behörde (CRA-SP), für die der Ehemann meiner Cousine arbeitet, feiert am 22. September Jubiläum“. So begann die E-Mail von Cristina, meiner früheren Kollegin aus Berlin, die seit Anfang September hier als Assistentin meines Mannes arbeitet.
Ich erfuhr, dass die Feierlichkeit im Memorial da América Latina stattfindet, dass die Banda Sinfônica do Estado de São Paulo spielt und dass viele einflussreiche Paulistanos anwesend sein würden. Das klingt spannend. Was wird mich erwarten? Sicher werde ich der einzige deutschsprachige Gast sein. Soviel war klar: Diese Veranstaltung konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Das imposante Memorial da América Latina, unmittelbar am Terminal Rodoviário da Barra Funda (Busbahnhof Barra Funda) gelegen, das vom berühmten brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer entworfen und 1987 fertiggestellt wurde, war festlich beleuchtet. Wunderschöne Hostessen, die es locker mit Gisele Bündchen aufnehmen konnten, begrüßten die zahlreichen Gäste.
Ich trat ein in eine andere Welt. Der Innenraum stand der Außenansicht in nichts nach. Es präsentierte sich eine atemberaubende Kulisse, in blaues Licht gehüllt, das weiße Logo mehrfach dezent an die Wand projiziert, mit tropischen weißen Blumen in riesigen Glasvasen geschmückt. Diesen Glamour hatte ich bei Verwaltungsangestellten nicht erwartet.
An der Seite Cristinas und ihrer Cousine Renata lernte ich Flavio, deren Mann – den Organisator des Events kennen. Wahrlich brasilianisch unkompliziert und unkonventionell schüttelten wir wenig später Roberto Carvalho Cardoso, dem vorherigen Präsidenten der Institution und dessen Ehefrau die Hand. Ich lernte den Anwalt der Familie und dessen Freund Leandro kennen, der, nachdem er einem kurzen Austausch zwischen Cristina und mir gelauscht hatte, bescheiden und zurückhaltend in perfektem

Deutsch das Gespräch aufnahm. Unglaublich, da wähnt man sich unter 1000 Brasilianern und dann das.

Leandro, der für eine Partei tätig ist, hatte ein Jahr in Mannheim studiert. Wir plauderten, genossen die kulinarischen Köstlichkeiten und schritten dann zum Festakt in das Auditório Simon Bolívar. Spätestens als der Moderator den eigentlichen Festakt mit ausgesprochen sonorer Stimme einleitete, begriff ich, dass Administradores nicht, wie angenommen, Verwaltungsanstellte mit klassisch dreijähriger Ausbildung sind.
Das CRA-SP (Conselho Regional De Administração Do São Paulo), das zum 46. Jahrestag geladen hatte, repräsentiert 77.000 Verwaltungsfachleute und 12.000 eingetragene Unternehmen, also den öffentlichen und den privaten Sektor. Es regelt, auch im Namen des Ministeriums für Arbeit, den Berufsstand des studierten Verwaltungsexperten und stellt eine hohe Qualifikation seiner Repräsentanten sicher.
Ich konnte es nicht fassen, ich verstand (fast) jedes Wort, denn die Festredner sprachen getragen, in mäßigem Tempo. Besonders charmant und vermutlich auch eloquent setzte Guilherme Afif Domingos, der stellvertretende Gouverneur des Bundesstaates, die CRA-SP in den Kontext. Kleine Karteikärtchen, die ihn bei der Begrüßung der zahlreichen Ehrengäste unterstützen, tauschte der charismatische Redner dann gegen ein Manuskript, das er kaum ansah.
Eine feierliche Atmosphäre erfüllte den Raum, die schließlich wieder einen Moment lang wundervoll brasilianisch war: Nachdem sich der Vorhang für die Banda Sinfônica do Estado de São Paulo öffnete, konnte das Auditorium beobachten, wie einige Tontechniker letzte Vorbereitungen für den Einsatz der Musiker trafen, die peu à peu ihre Plätze einnahmen. Die Brasilianer sind schon cool. In Deutschland wäre diese Lässigkeit undenkbar.
Maestro Mark Sadao Shirakawa begrüßte darauf die Gäste und kündigte die Nationalhymne an. Das Auditorium erhob sich, während weitere Musiker eintrafen. Als die ersten Klänge der Hymne den Raum erfüllten, war ich gerührt. Da stand ich nun als Deutsche unter so vielen Brasilianern und lauschte zum ersten Mal bewusst der Hymne des Landes, in dem ich seit knapp über sieben Monaten lebe.
Ich erlebte einen internationalen Kunstgenuss: Werke des New Yorkers Alfred Reed, des Niederländers Johan de Meij und des Briten Edward Elgar wurden gespielt. Heitor Villa-Lobos, der international bekannteste brasilianische Komponist, und der kürzlich in São Paulo verstorbenen Cyro Pereira wurden präsentiert, unterbrochen durch kurze lehrreiche Einleitungen des Maestros.
Es war ein besonderer Abend, der amüsanter nicht hätte enden können, denn zwei Männer sprachen mich an, nachdem sie mich länger beobachtet hatten. Mutig fragte mich einer schließlich, ob ich eine Administradora sei und für ein Interview zur Verfügung stünde. Nein, ich sei selbst Journalistin, entgegnete ich. Traurig zog mein Berufskollege von dannen, während der schadensfrohe Kollege seine Häme kaum verbergen konnte. Offensichtlich hatte der Fotograf, der mit dem besseren Blick, die Wette gewonnen.

Freitag, 23. September 2011

Alles strahlt – auch Eleene

In den Wirren des Umzugs lernte ich sie kennen: Eleene, eine Empregada (Haushälterin), die wie ein Engel in meine Leben trat.
Zur Grundreinigung unseres Apartments hatte ich einen Reinigungsservice beauftragt, denn unser Container sollte in den nächsten Tagen eintreffen. Nachdem mich dieser Dienstleister zwei Mal versetzte hatte und der Container in weniger als 24 Stunden erwartet wurde, war die Verzweiflung groß.
Doch der Himmel hatte ein Einsehen und schickte mir zwei meiner Freundinnen, von denen eine ihre Empregada mitbrachte, die Office-Managerin meines Mannes und Conceição, die Empregada des Büros, die kurzerhand ihre Tochter Soraya und Nachbarin Eleene bestellt hatte.
Schnell war alles organisiert. Vilma, die Empregada meiner Freundin, Soraya und Eleene machten sich ans Werk. Vilma begann mit dem Schlafzimmer und reinigte sorgfältig jeden kleinsten Winkel. Soraya und Eleene raubten mir den Atem. Kräftig packten sie zu, schrubbten, putzen, polierten unermüdlich und bisweilen unter Einsatz ihres Lebens, denn wie sie die gläserne Balkonbrüstung säuberten, hatte etwas Halsbrecherisches.
Ihre optimistische Fröhlichkeit war ansteckend. Endlich hatte ich wieder Hoffnung. Das Apartment würde fertig sein, bevor der Container eintrifft. Und tatsächlich: Innerhalb weniger Stunden verwandelten die drei fleißigen Engel unser Apartment in ein glänzendes Schmuckstück.
Nach der Containeranlieferung hatte ich Vilma, die mir meine Freundin als dauerhafte Empregada ans Herz gelegt hatte, für Detailarbeiten bestellt. Gewissenhaft und wortlos wusch und polierte sie unsere gesamte Küchenausstattung.
Ich vermisste die charmante und liebevolle Eleene und die kräftige Soraya und entschloss mich spontan, beide erneut zu buchen, denn das Apartment benötigte, nachdem nun alle Möbel an ihrem Platz standen, insgesamt einen Feinschliff. Und wieder blitzte und blinkte alles.
Wenige Tage darauf hatten Tereza und ich Eleene zu einem Interview eingeladen, denn diese selbstständige, effiziente, humorvolle und warmherzige Empregada könnte ich um mich haben, mit ihrer Anwesenheit käme ich gut zurecht.
Einmal mehr erlebte ich eine flexible und aufgeräumte Frau, die geduldig wartete, bis wir die Projekte mit dem Elektriker besprochen hatten, was sich länger hinzog als erwartet. Auch zwei weitere Anlieferungen konnten sie nicht aus der Ruhe bringen. Als wir dann endlich über die Rahmenbedingungen ihrer möglichen Tätigkeit sprechen konnten, faszinierte mich ihre Ehrlichkeit, denn immerhin stand die Frage der Häufigkeit zur Diskussion, die an ihre Bereitschaft zu bügeln geknüpft war. Selbstverständlich könne sie bügeln, erklärte sie. Ob ich ihr ein exemplarisches Stück zeigen  könne, wollte sie wissen. Ich präsentierte daraufhin ein im Hause 5 à Sec perfekt gebügeltes Hemd. Auf diesem Niveau könne sie nicht bügeln, ihre Fähigkeiten hier beschränkten sich auf den Hausgebrauch. Dennoch wurden wir handelseinig, denn nie hätte ich auf diese großartige Empregada verzichten mögen. Und schließlich muss auch 5 à Sec existieren.
Seit Juni nun ist Eleene unsere Empregada. Was für ein Geschenk, auch wenn sie meinen Mann von Zeit zu Zeit zur Verzweiflung bringt. Eleene hat klare Vorstellungen: So verstaut sie unsere Tischsets, die mein Mann gern griffbereit hat, stets in der dafür vorgesehenen Schublade. Lässt er etwas liegen, bringt sie es zurück in sein Zimmer. Jede Woche faltet sie liebevoll seine Freizeitkleidung, die er grundsätzlich lässig über den Stuhl legt. Wasserflaschen neben dem Bett findet unsere Eleene komisch. Also trägt sie sie in die Küche. Dort haben Handtaschen nichts zu suchen. Die finde ich, wenn ich sie am Türgriff zwischengelagert habe, in meinem Zimmer wieder. Recht hat sie.
So sehr mein Mann mit ihrer Tendenz, Dinge an den Ort zu räumen, den sie passend findet, hadert, so sehr freut mich eben jenes Engagement, denn ich würde es nicht anders machen.
Kaum hatte Eleene bei uns angefangen, stand an ihrem regulären Arbeitstag ein Feiertag an. Rechtzeitig rief sie mich an, erklärte mir geduldig den Sachverhalt und suchte mit mir nach einer Lösung. Und dies, obwohl meine Sprachkenntnisse zu diesem Zeitpunkt noch höchst limitiert waren. Es hätte andere Wege gegeben, mich zu informieren, doch sie wählte den direkten. Nie hat sie sich von meinen sprachlichen Defiziten irritieren lassen.

Im Gegenteil. Kürzlich gar bereitete sie mich sprachlich auf einen Friseurbesuch vor, denn ich wollte etwas machen lassen, was ich hier nie zuvor nachgefragt hatte.

Ganz großartig fand ich unsere Verabschiedung, als wir kürzlich, während sie mit dem Bus unterwegs war, telefonierten. Sie schloss das Gespräch, indem sie „Goodbye“ sagte. Ich konnte sie strahlen hören, Eleene, die alles strahlen lässt.

Freitag, 16. September 2011

Gesichter einer Megacity

An einem strahlenden Sonnentag im April war ich mit Christiane, die mich lange bevor ich meinen Lebensmittelpunkt nach Brasilien verlagerte, engagiert und sensibel auf meine Zeit in diesem für mich gänzlich unbekannten Land vorbereitet hatte, verabredet. Sie, die zwei Mal für mehrere Jahre in São Paulo gelebt hatte, war in den Osterferien mit ihrer Familien nach Brasilien zurückgekehrt, um Freunde zu besuchen. So hatten auch wir endlich die Gelegenheit, einander persönlich zu treffen, in meinem neuen Land, das ihr sehr vertraut ist. Sie schlug den Clube Hípico de Santo Amaro, gemeinhin als Hípica bezeichnet, als Treffpunkt vor.
In Berlin hatte ich während meiner Schulzeit mit Freunden einige Clubs besucht – die Zehlendorfer Wespen, den Schülerruderverband Wannsee e.V. (SRVW), den Berliner Sport-Club (BSC) – die durchaus einen gewissen Idylle-Faktor besaßen. Da ich insgesamt sehr idyllisch lebte – wir wohnten damals im von altem Baumbestand und viel Grün geprägten Zehlendorf und ich ging im feinen Grunewald zur Schule – nahm ich die Idylle der Clubs allerdings nicht so intensiv wahr, wie an jenem Tag im April.
Nachdem ich die Pforte der Hípica passiert hatte, war ich von riesigen, schön gewachsenen Bäumen umgeben. Ich war überrascht, denn ein solches Kleinod hatte ich inmitten der Megacity nicht erwartet. An den Tennisplätzen sah ich, während ich auf Christiane und ihre Freundin Katharina wartete, Jugendlichen beim Training zu. Als beide eingetroffen waren, schlenderten wir über das Gelände zum Restaurant des Clubs mit seiner schönen Terrasse und den geschmackvoll auf dem Rasen verteilten Tischen. Wir tranken Kaffee und plauderten angeregt, während Vögel zwitscherten und wunderschöne junge Mädchen

auf edlen Pferden durch diese Idylle galoppieren. Es schien, als sei die Stadt Millionen Kilometer entfernt, denn kein Zivilisationsgeräusch war zu vernehmen. Ich fühlte mich an „Jenseits von Afrika“ erinnert und genoss die heitere, leichte Atmosphäre. Immer wieder stießen Freundinnen hinzu, um Christiane, die vor längerer Zeit nach Deutschland zurückgekehrt war, in der Stadt willkommen zu heißen. So lernte ich an diesem kurzweiligen Nachmittag Bettina, mit der ich heute noch verbunden bin, kennen.

Begeistert berichtete ich meinem Mann von diesem besonderen Erlebnis. Mein Mann, ein Segler, der zwischenzeitlich einmal im Yacht Club Santo Amaro (YCSA) gewesen und ebenfalls begeistert war, freute sich mit mir und brachte die Idee auf, einen Club zu finden, der für beide interessant sei.
Doch noch lebten wir im Hotel. Kurz darauf fanden wir unser Apartment, womit das Thema in den Hintergrund geriet, bis vor einigen Wochen, als Heloisa, meine Sprachlehrerin, berichtete, dass einer ihrer Schüler hinsichtlich seiner Sprachkenntnisse sehr von der Mitgliedschaft in einem nahegelegenen Sportclub profitiert habe und dass auch sie zeitnah dort eintreten werde. Das war das Stichwort. Ich befragte sie zu den unterschiedlichen Clubs, recherchierte im Internet, telefonierte mit Bettina und wandte mich an Michaela, eine Freundin, deren Mann ebenfalls Segler ist.
Am vergangenen Samstag nun hatten uns Michaela und ihr Mann Willi in den Clube de Campo do Castelo eingeladen. Zusammen mit Cristina, meiner ehemaligen Kollegin und Freundin aus Deutschland, die nun in São Paulo lebt und arbeitet, machten wir uns auf den Weg nach Interlagos, um den Club, der zahlreiche Sportarten anbietet, anzusehen. Auf 48.000 Quadratmeter erstreckt sich der Club mit spürbar entspannter Atmosphäre und Retro-Charme, unmittelbar am Represa de Guarapiranga (Guarapiranga Stausee) gelegen.
Nie werde ich unseren Trip mit dem Motorboot vergessen: Einmal an Bord des schnittigen Boots war es, als wären wir im Urlaub. Kleine Inseln, imposante Denkmäler und verwunschene Buchten taten sich vor unseren Augen auf. Wir beobachteten Kinder und Jugendliche beim Segeltraining, sahen Anthony, den Sohn der Familie, mit seinem Laser über das Wasser gleiten und kleine Kinder engagiert ihre Optimisten steuern. Jet-Skis

donnerten an uns vorbei und geduldige Menschen versuchten sich mit Stand-up Paddling. Einfach toll.

Mittags legten wir am Yacht Club Santo Amaro an, um auf der wundervollen Sonnenterrasse zu Mittag zu essen. Auf einer Jolle, die zur Olympiade 1936 in Berlin gestartet war und heute als Büffet fungiert, wurden köstliche Speisen präsentiert, die wir in internationaler Atmosphäre genossen.
Spätestens als wir wieder im Clube de Campo do Castelo anlegten, war klar, dass wir Mitglied eines Clubs am Guarapiranga Stausee werden möchten.
An diesem Wochenende werden wir schließlich den Clube de Campo de São Paulo (CCSP) besuchen, dessen beindruckende Ausmaße wir bislang nur vom Wasser bestaunt haben. Morgen also werden wir wieder die andere, idyllische Seite dieser aufregenden Megacity erleben.

Donnerstag, 8. September 2011

Maria Brigadeiro goes to Washington

Sie sind klein, rund und in ihrer traditionellen Zubereitungsart mit Schokoladenstreuseln umhüllt: Brigadeiros werden sie genannt, nach dem brasilianischen Präsidentschaftskandidaten Brigadeiro (Brigadegeneral) Eduardo Gomes, der 1945 gegen Eurico Gaspar Dutra antrat.
Eifrige Wahlkämpferinnen verkauften die in den 1940er Jahren kreierten und noch heute in einigen südlichen Bundesstaaten als Negrinhos bekannten süßen Kugeln, um Mittel für den Wahlkampf des attraktiven Junggesellen einzutreiben, der dieser süßen Köstlichkeit sehr zugetan war.
Auch wenn sich die „Docihno do Brigadeiro“, die mit dem Slogan „Vote no brigadeiro que é bonito e solteiro” (Wählt den Brigadegeneral, der ist schön und alleinstehend angepriesen wurden, großer Beliebtheit erfreuen, konnte Gomes die Stimmen der Wähler nicht auf sich vereinigen, auch nicht als er 1950 gegen Getúlio Vargas ins Rennen ging. Doch die nach ihm benannte Süßigkeit, die jeden brasilianischen Kindergeburtstag bestimmt, macht ihn unsterblich.
Heute sind die kleinen Kugeln längst nicht nur der Renner auf Kindergeburtstagen. Spätestens seit sich die Journalistin Juliana Motter den Brigadeiros verschrieben hat, ist die Süßigkeit salonfähig geworden.
Bereits im Alter von sechs Jahren wurde sie von ihrer Großmutter, die über profunde Kenntnisse im Konditoreiwesen verfügte, in die Zubereitung eingeführt. Begeistert produzierte das junge Mädchen, das ob seiner Leidenschaft für die kleinen Kugeln den Spitznamen Maria Brigadeiro erhielt, die traditionelle Süßspeise und brachte sie zu

Kindergeburtstagen mit, bis sie eines Tages einen Großauftrag erhielt: Für einen besonderen Anlass sollte sie ganze 1000 Brigadeiros produzieren. Mit der Hilfe von Freunden nahm sie sich dieses ersten Großauftrags, der nicht ganz leicht zu stemmen war, an, denn die anwesenden Kinder konnten den frisch hergestellten Brigadeiros nicht widerstehen, so dass Juliana nicht die vereinbarte Menge ausliefern konnte. Durch eine glückliche Fügung habe dies niemand bemerkt, erzählt mir die Journalistenkollegin, die wenig später den Entschluss fasste, ihre Karriere als Food-Journalistin an den Nagel zu hängen, um fortan hauptberuflich Brigadeiros zu produzieren. 2007 richtete Motter ein Atelier ein, 2010 eröffnete sie ein bezauberndes Geschäft in der Rua Capote Valente, 68 in Pinheiros (Tel.: 11 3085-3687,www.mariabrigadeiro.com.br).

Hinter einem Sichtfenster stellen emsige weibliche Pâtissiers in weißen Kochjacken und charmanten Kochmützen die verführerischen Kugeln auf den Punkt her. Diese Produktionsweise ist eines der Geheimnisse der Erfinderin von rund 40 verschiedenen Bridageiros, die aus hochwertigsten natürlichen Zutaten bestehen. Neben gezuckerter

Kondensmilch (das Produkt ist deutlich dickflüssiger und farblich etwas dunkler als Kondensmilch ohne Zuckerzusatz und ist in Deutschland sowohl in Dosen und als auch in Tuben erhältlich, beispielsweise unter dem Markennamen „Milchmädchen“), der Grundlage jedweden brasilianischen Brigadeiros, verwendet Motter französische Butter und ihre eigene Schokoladenmischung. Zucker wird keinem einzigen der Gourmet Brigadeiros zugesetzt. Umhüllt werden die kleinen Kugeln mit den köstlichsten Dingen: von leicht gerösteten Pistazienflocken über weiße Schokolade bis hin zu indischen Gewürzen. Unnachahmlich ist der Nutella-Bridadeiro, der deutsche Genießer in Kindertage reisen lässt.

Reisen wird auch Juliana Motter bald, denn sie wurde nach Washington eingeladen, ins Weißen Haus. Als kulinarische Repräsentantin ihres Landes steht sie, steht Maria Brigadeiro, für DIE brasilianische Nachspeise. So präsentiert die Erfinderin des Gourmet Brigadeiros die offizielle Nachspeise des hochklassigen Events im Finanzsektor und offeriert ihre ausnehmend schönen Pralinenschachteln, gefüllt mit den wohlschmeckendsten Brigadeiros, schließlich allen Teilnehmer als Give-away.
„Vielleicht wird sogar Präsident Obama einen Brigadeiro aus dem Hause Maria Brigadeiro probieren“, siniert Juliana Motter, die mit ihrem Lebensmittelingenieur und ihrem Chef-Pâtissier anreisen wird, um die Brigadeiros vor Ort frisch zuzubereiten. Die Verfügbarkeit der Rohstoffe ist gewährleistet. Nun muss nur noch das Visum eintreffen.
Und schon bald, da bin ich sicher, wird Maria Brigadeiro ihren kulinarischen Siegeszug antreten, denn ihr stylisches Geschäft mit seinen wundervollen Produkten passt hervorragend an die New Yorker Upper West Side, in den Prenzlauer Berg in Berlin oder an den Gärtnerplatz in München.
Post Scriptum: Als ich Maria Brigadeiro zuletzt besuchte, wollte ich an sich nur zwei kleine Schachteln mit Brigadeiros kaufen, für meinen Mann und für Cristina, meine frühere Kollegin und Freundin, eine Brasilianerin, die in der vergangenen Woche ihren Wohnsitz nach 21 Jahren in Deutschland nach São Paulo verlegt hat. Aus diesem Einkauf wurde mein erstes Interview in dieser Stadt. Ein brasilianisches Erlebnis: Juliana Motter bot spontan an, mit mir zu sprechen, verwöhnte mich mit ihren köstlichsten Kreationen und schenkte mir zum Abschied eine riesige Brigadeiro-Box. Zusammen mit ihrem Geschäftspartner Marcello nahm sie sich mehr als eine Stunde Zeit, bis sie sich freundlich um 16.25 Uhr entschuldigte, denn beide hätten vor 16.00 Uhr zu einem Termin aufbrechen müssen. Erschüttert, dass ich unwissend eine so gravierende Verspätung verschuldet hatte, bedauerte ich diese wortreich. Charmant lächelnd erklärte Juliana Motter sogleich: “We really enjoyed the pleasant conversation. That’s the Brasilian way!”